„Als Hirte ermutige ich euch: Fürchtet euch nicht vor dem Leben!“ – Predigt von Kardinal Vinko  Puljić beim 31. Jugendfestival

„Als Hirte ermutige ich euch: Fürchtet euch nicht vor dem Leben!“ – Predigt von Kardinal Vinko Puljić beim 31. Jugendfestival

06.08.2020

Die Abendmesse am letzten Tag des Jugendfestivals, am 5. August 2020, hielt der Kardinal und Erzbischof von Sarajevo Vinko Puljić. Als ehemalige Vorsitzende der Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina und als Mitglied der Kongregation für die Evangelisierung der Völker predigte er voller Eifer und Elan und brachte den jungen Menschen nahe, sich von Maria zu Jesus führen zu lassen, um in Ihm die Fülle des Lebens, den Weg, die Wahrheit und das Leben zu entdecken. Alles, was wir suchen und ersehnen, finden wir in Jesus, so der Kardinal beim 31. Jugendfestival in Medjugorje. Im Folgenden die gesamte Predigt von Kardinal Vinko Puljić:

„Geehrter Provinzial, liebe Mitbrüder, Brüder und Schwestern, liebe Jugendliche, die ihr zum 31. Jugendfestival gekommen seid, und euch liebe ältere Jugendliche, ich grüße euch alle zusammen am Beginn meiner Predigt!

Am Beginn dieser Predigt stellt euch vor, dass ich ein virtuelles Interview mit euch machen würde, bei dem ich euch fragen würde: „Was hat dich hier zum Jugendfestival gebracht, in dieser Situation so wie sie ist?“

Ich bin überzeugt, dass einige von euch antworten würden: „Bei diesem Jugendfestival begegnet man Gott! Man erlebt die Nähe Gottes. Deshalb bin ich gekommen.“ Ich bin überzeugt, dass viele von euch das erleben. Vielleicht werden einige von euch sagen: „Ich bin leer. Meine Seele ist leer. Ich bin gekommen, um meinen Akku aufzufüllen, meinen Lebensakku, um die Herausforderungen des Lebens tragen zu können.“ Einige von euch werden vielleicht sagen: „Ich bin mit allem Möglichen belastet und ich habe mich selbst verloren. Ich bin gekommen, um mich selbst zu finden. Um Gott zu begegnen und um in mir Gott  zu finden.“  Wie der heilige Augustinus sagen würde: „Gott, ich habe dich überall gesucht und Du warst in mir und ich außerhalb von mir.“ Ich bin überzeugt, dass einige sagen werden: „Ich paddle auf dem Boot herum, aber das Boot bewegt sich nicht, denn es ist angebunden. Egal wie sehr ich paddle und paddle, es geht nicht vorwärts. Ich bin gekommen, um mein Lebensboot in einer ehrlichen Beichte abzubinden, um mit voller Kraft ins Leben paddeln zu können.“ Man muss sich abbinden und in der Beichte eine Lossprechung bekommen. Einige von euch werden sich vielleicht in dieser Geschichte entdecken. Sie werden sagen: „Ich bin alleine, einsam. Zuhause hat man mich so erzogen, dass ich egoistisch nur an mich selbst denke. Und diese Erziehung macht mich unglücklich. Ich kann nicht nur davon leben, dass ich meinem Nutzen hinterher renne. Ich möchte die Freude im Geben finden, deshalb bin ich hierher gekommen.“ Ich bin überzeugt, dass einige von euch sagen würden: „Ich bin in Unfrieden, ich habe keinen Frieden. Ich bin gekommen, um hier den Frieden der Seele zu finden. Ich bitte die Muttergottes, die wir die Königin des Friedens nennen, dass sie mir den Frieden in der Seele erbittet, dass ich Friede in meiner Umgebung ausstrahlen kann.“ Einige von euch werden vielleicht sagen: „Ich bin gekommen, um den Menschen als meinen Mitreisenden zu erkennen.“ Denn wenn wir den Medien und der Politik folgen, sehen wir, dass es nur um Gegensätze und Widerstand geht und dass wir nicht gemeinsam reisen. Deshalb bin ich überzeugt, dass viele von euch genau das suchen werden: im Nächsten seinen Mitreisenden zu erkennen. Einige von euch werden sicherlich auch antworten: „Ich bin gekommen, um mein Leben kennen zu lernen. Zu erkennen welchen Wert es hat.“ Wie sehr bin ich bereit mich zu opfern? Es gibt keine Liebe ohne die Bereitschaft zum Opfer. Die wichtigste Lektion, die ich lernen muss, ist zu lieben. Weil Gott mich aus Liebe und für die Liebe geschaffen hat.

Wir sind wütend, weil sie so unglücklich und unzufrieden sind. Das seht ihr am besten, wenn ihr zum Beispiel in der Stadt umher geht, in eurem Land oder in unserem Land. Alle Leute laufen mürrisch herum. So wie es hier vor zwei Stunden geblitzt und gedonnert hat und du wartest, wann es wieder donnert – so schauen die Menschen aus. Unzufrieden laufen sie umher. Warum? Der Mensch kann nicht egoistisch und zugleich glücklich sein. Gott ist die Liebe und Er, die Liebe, hat uns aus Liebe und für die Liebe geschaffen. Einige von euch werden sagen: „Ich habe diese Antworten schon gehört. Dieser halbherzige Glaube bringt mich um. Das eine wird gelehrt, das andere wird getan. Ich bin gekommen, damit die Muttergottes mich zu Jesus führt.“ All das was ihr hier sucht, all das werden wir bei Jesus finden. Maria wird uns dorthin bringen. Deshalb die Botschaft des diesjährigen Jugendfestivals: „Kommt und seht!“ Nicht mit den Augen sehen, sondern mit dem Herzen und mit Glauben sehen. Den Auferstandenen will ich sehen! Nur Er kann uns die Antwort auf unsere Lebensfragen geben! Alles Suchen, jede Technik, jeder Erfolg, alles Wissen, kann nicht das geben, was Jesus gibt! Er gibt uns Seinen Frieden. Jesus sagt: „Glaubt an mich und an den, der mich gesandt hat!“ Deshalb ist es so wichtig, dass wir von Maria lernen, wie wir das Wort Gottes hören, annehmen und leben sollen. Ihr habt im Evangelium gehört, dass Maria und die Jünger Jesus gesucht haben. Die Menschen sagen zu Jesus: „Sie suchen dich.“ Und Er antwortet: „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Gott gibt sich hin, aber ich muss offen sein, um zu empfangen. So wie Maria. Das Wort Gottes hören, es annehmen, damit es mir Wegweisung, Leitung und Halt wird. Deshalb, liebe Jugendliche, ihr habt so viel Deformiertes in euch. Man hat euch belogen und euch gesagt, dass man leben könnte ohne zu leiden. Die größte Lüge, die es überhaupt gibt ist, dass man leben könnte ohne zu leiden. Keiner hat es geschafft im Leben, der nicht genügend gelitten hat. Wenn ich mich in meinem Leben verwirklichen will, dann muss ich mutig sein und bereit zum Opfer. Ich sehe ihr tragt alle Symbole, die Fahnen der Länder und das ist verständlich. Das zeigt wer und was wir sind. Aber es gibt ein Symbol, das für alle Völker, für alle Gebiete der Erde gilt: es ist der gekreuzigte Christus. Er möchte vom Kreuz aus jeden einzelnen Menschen umarmen. Dieses Kreuz ist unsere Identität. Als man den heiligen Bonaventura gefragt hat, wo er eine so große Weisheit gewonnen hätte, antwortete er: „Das Buch des Kreuzes lese ich jeden Tag.“ Wir alle tragen das Kreuz als Symbol, dass wir Christen sind. Während der Belagerung, als die Türken geherrscht haben – und es scheint mir, dass sie wieder herrschen könnten – da haben unsere Mütter, Frauen und Kinder sich Kreuze eintätowiert, sie getragen, damit man weiß wer sie sind. Dieses Kreuz war ein Zeichen der Wiedererkennung: „Wir sind Christen!“

Warum erzählte ich euch das? Man muss wissen, wo man seine Wurzeln findet, seinen Halt im Leben und im Glauben. Wir dürfen nicht halbherzig sein, denn Halbherzigkeit tötet uns. Wir müssen aus Überzeugung wissen, warum wir leben. Wenn man euch belastet hat mit verschiedenen Deformationen – dem Eilen nach Genuss, nach Konsum – dann erkennt, dass ihr mit eurem eigenen Verstand den Weg entdecken könnt – und das ist Jesus! Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ Wir sollen uns mit ganzem Herzen für Ihn entscheiden, im Geist den Auferstandenen umarmen und uns nicht fürchten vor dem Leben. Solche Menschen sind fähig die Zukunft zu erbauen. Jammerlappen sind dazu nicht fähig. Nur die Menschen, die bereit sind für das Opfer! Opfer zu bringen, lernt man in der Schule des Kreuzes. Deshalb, liebe Jugendliche, wenn ihr eine Zukunft haben wollt, erlaubt, dass Maria euch zu Jesus führt. Kommt und seht! Kommt an die Seite Jesu, seht den Auferstandenen, nicht mit den irdischen Augen, sondern mit den Augen des Glaubens, damit die anderen – wenn du nach Hause zurückgekehrt bist – sehen, dass du Jesus begegnet bist, dass du Gott gefunden hast, dass Maria dich zu Ihm geführt hat. Die anderen sollen sich wünschen das Gleiche zu erleben, was ihr jetzt hier erlebt.

Ich freue mich, dass ich heute mit euch hier beten, Gott loben und preisen und die Fürsprache der Muttergottes für euch erbitten kann. Als Hirte ermutige ich euch: Fürchtet euch nicht vor dem Leben! Glaubt nicht alles, was man euch in Medien, im Fernsehen und in der Politik sagt. Sie müssen das so tun. Denk mit deinem eigenen Kopf! Deine Füße tragen deinen eigenen Kopf. Ihr wisst, dass auf Medikamentenfläschen oft steht: Vor Gebrauch schütteln. Schüttel auch deinen Kopf ein bisschen, wenn du etwas entscheiden musst. Der, der liebt hat keine Furcht zu entscheiden. Denen, die immer Angst haben, dass sie etwas verlieren werden, wenn sie an Gott glauben, möchte ich sagen: Wenn du Gott liebst, kannst du nie, nie verlieren!

Dieses Jugendfestival, das seit 31 Jahren gefeiert wird, möge euch ermutigen, im Glauben die Welt zu verändern, weil ihr euch für den auferstandenen Christus entschieden habt. Auf diesem Weg möge euch unsere Mutter Maria schützen. Amen.“

Foto © Gebetsaktion

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