„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt!“ – Predigt von Erzbischof Henryk Hoser beim 31. Jugendfestival in Medjugorje

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt!“ – Predigt von Erzbischof Henryk Hoser beim 31. Jugendfestival in Medjugorje

05.08.2020

Bei der Abendmesse am 4. August 2020 hielt der Apostolische Visitator für Medjugorje – Erzbischof Henryk Hoser – eine bewegende Predigt, in der er über die Einsamkeit des Menschen sprach und über den Trost, den uns Gott und die Muttergottes anbieten. Hier kann die gesamte Predigt nachgelesen werden:

„Es ist das 31. Jugendfestival in Medjugorje, das in diesem Jahr unter dem Motto „Kommt und seht“ (Joh 1,39) steht. Wer hat diese Worte zuerst ausgesprochen? Es war Jesus Christus selbst. Und es geschah unmittelbar nach der Taufe Jesu Christi am Jordan, wo der heilige Johannes der Täufer getauft hat. Zwei Jünger begleiteten ihn. Sicher waren sie noch jung und suchten ihren Lebensweg. Wem sollten sie vertrauen, wem folgen? Als Johannes der Täufer auf Jesus zeigte und ihn das Lamm Gottes nannte, erkannten die beiden Jünger, dass es hier um jemanden sehr Wichtigen geht. Schließlich sprechen wir bis heute bei jeder Heiligen Messe diese Worte aus, bevor wir die heilige Kommunion empfangen: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt!“ Aus Neugierde folgten sie ihm. Als Jesus sah, fragte Er: „Was sucht ihr?“ Und sie sagten: „Meister, wo wohnst du?“ (vgl. Mt 1,38) Jesus antwortete mit dem Ruf: „Kommt und seht!“ Und so kamen wir auf das Motto des diesjährigen Festivals.

Wenn uns jemand interessant erscheint und sogar fasziniert, möchten wir nicht nur wissen, wie er heißt, sondern auch woher er kommt und wo er lebt, wie seine Adresse lautet. Und wenn er uns in sein Haus einlädt, nehmen wir eine solche Einladung gerne an, denn eine Wohnung ermöglicht uns, den Mieter besser kennen zu lernen. Vieles spricht über ihn. Sogar Prominente sind stolz auf ihre Wohnung und zeigen sie gerne im Internet.

Um jemanden besser kennen zu lernen, muss man ihm begegnen. Es reicht nicht aus per Telefon, E-Mail oder in sozialen Netzwerken Kontakt aufzunehmen. Der Ort der Begegnung ist wichtig. Ein solcher Ort der Begegnung ist Medjugorje. Ein Pilger hat mir gesagt: „Hier in Medjugorje ist eine Gegenwart zu spüren.“ Wessen Gegenwart? Die Gegenwart Gottes, die Gegenwart Jesu und die Gegenwart Mariens, unserer Mutter.

In der Welt, in der wir leben, wird es schwieriger der Realität zu begegnen und es wird einfacher in der virtuellen Welt Kontakt aufzunehmen. Es ist schwieriger jemandem zu begegnen, dem wir vertrauen können, dem wir uns öffnen und sogar alles sagen können, was uns schmerzt. Deshalb ist die Einsamkeit zu einer Krankheit dieser Zivilisation geworden.

Als Gott den Menschen schuf, sprach er Worte aus, die permanent aktuell sind: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.“ (Gen 2,18) Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen, deshalb quält die Einsamkeit den Menschen in unterschiedlicher Intensität – jederzeit und zu allen Zeiten.

Eine großartige Zeit und ein großartiger Ort der Begegnung ist die Heilige Messe. Sie ist der wichtigste Moment eines jeden Tages in Medjugorje. Während der Heiligen Messe sind wir zu zwei gedeckten Tischen eingeladen: zum Tisch des Wortes Gottes und zum Tisch der Eucharistie. Wir können uns jeden Tag an diesen Tischen nähren. Schließlich lebt der Mensch nicht nur von der Nahrung für den Körper, sondern er braucht auch die Nahrung für die Seele, für den Verstand und für das Herz.

Was bietet uns der Tisch des Wortes Gottes heute an? Einen Auszug aus dem alttestamentlichen Buch des Propheten Jeremia. Dieser große Prophet, der die Wahrheit sprach, für die er verfolgt wurde, erlebte eine durchdringende Einsamkeit. Gott sagte zu ihm: „Arg ist dein Schaden, unheilbar deine Wunde. Für das Geschwür gibt es keine Heilung, keine Genesung gibt es für dich. Alle deine Freunde haben dich vergessen, sie kümmern sich nicht mehr um dich.“ (vgl. Jer 30,12-14) Aber Gott tröstet ihn. Er sagt: „Denn ich lasse dich genesen und heile dich von deinen Wunden.“(vgl. Jer 30,17)

Liebe Freunde, die Ursachen der Einsamkeit sind sehr unterschiedlich und hängen nicht immer von uns ab. Es leiden die Menschen, die ohne Fürsorge sind, Menschen ohne Familie, Kranke –weil die Krankheit isoliert –, Waisen leiden und Kinder, deren Eltern geschieden sind. Aber es gibt auch Arten von Einsamkeit, an denen wir selbst Schuld sind: die Verschlossenheit gegenüber anderen, Egoismus, nur an sich selbst zu denken, Geiz und viele andere Makel schaffen Einsamkeit. Viele Jugendliche leiden unter Einsamkeit. Warum? Weil sie nicht wissen, wie sie leben sollen, weil sie niemandem vertrauen können, weil sie verwundet und in sich verschlossen sind, weil sie auch ausgebeutet oder betrogen werden. Sie leiden unter verschiedenen Ungerechtigkeiten. Sie fühlen sich enttäuscht, fallen in Traurigkeit und Depression. Ihnen fehlen zuverlässige Führer, weil sie sie nicht suchen.

Der Gläubige sollte sich jedoch nicht einsam fühlen. Wenn er die Worte des Gebetes des Herrn – das Vater unser – betet, erkennt er, dass er einen Vater hat, den er in allem ansprechen und dem er alles sagen kann und soll, dem er sein Herz öffnen und seine verborgensten Gedanken offenbaren kann. Er kann mit unserer Mutter und der Mutter Christi, mit unserer Trösterin, der Königin des Friedens, sprechen. Diese Gespräche mit Gott sind nichts anderes als Gebet. Der große polnische Dichter Adam Mickiewicz schrieb: „Herr, was bin ich vor deinem Angesicht? Staub und nichts. Aber als ich dir mein Nichts gestanden habe, ich Staub, ich werde mit dem Herrn sprechen.“ Ja, das Gebet ist das Reden mit Gott. Er wird uns Kraft geben, Er wird uns Optimismus und Hoffnung geben. Er wird uns den wahren Sinn des Lebens zeigen. Er wird uns zu anderen senden. Wir leben nicht für uns selbst, wir leben für andere. Dies werden uns die Psalmen lehren – die schönsten Gebete, die Jesus Christus selbst wiederholt hat und die die ganze Kirche jeden Tag betet.

Die zweite Speise vom Tisch des Worte Gottes, die uns heute angeboten wird, ist die Wahrheit über das menschliche Herz. In einem nicht anatomischen Sinne ist das Herz das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit. Dort treffen sich Gedanken, Vorhaben, Gefühle und das menschliche Gewissen. Die Reinheit des Herzens bestimmt den Wert einer Person. Wir achten übermäßig auf die Reinlichkeit des Körpers, indem wir viele hygienische und kosmetische Produkte verwenden. Die Einkaufszentren sind voll davon. Wir sollten uns mehr um die Reinheit des Herzens kümmern, die noch wichtiger ist. Christus gibt uns heute eine Lektion über die Reinheit des Herzens. Nicht das, was von außen kommt, macht das Herz unrein, nicht irgendwelche Speisen, die als unrein gelten. Aber es gibt auch äußere Einflüsse, böse Einflüsse unserer Sinne, gegen die ein reines Herz jedoch resistent ist. Jesus sagt zu seinem Volk: „Es macht den Menschen nicht unrein, was durch den Mund hineinkommt, sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein.“ (vgl. Mt 15,11) Die Jünger verstanden nicht ganz worum es ging und Jesus erklärt es ihnen, als Kenner der menschlichen Natur: „Begreift ihr nicht, dass alles was durch den Mund in den Menschen hineinkommt in den Magen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird? Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen und das macht den Menschen unrein.“ (vgl. Mt 15,17) Er erklärt weiter: „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht. Aber mit ungewaschenen Händen essen, macht ihn nicht unrein.“ (vgl. Mt 15,19)

Wir verurteilen uns zur Einsamkeit, wenn wir aufhören zu beten. In der Bibel finden wir viele Gebete, die als Beispiel dienen können. Es gibt ein solches Gebet der jungen Königin Esther, die eine Heldentat ausführen musste, um andere zu retten. Aufgrund dieser Aktion droht ihr jedoch der Tod. Deshalb wendet sie sich mit folgenden Worten an Gott: ‚Herr, unser König, du bist der Einzige. Hilf mir! Denn ich bin allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.Uns aber rette mit deiner Hand! Hilf mir, denn ich bin allein und habe niemand außer dir, o Herr! Du kennst alles. Gott, du hast Macht über alle: Erhöre das Flehen der Verzweifelten und befrei uns aus der Hand der Bösen! Befrei mich von meinen Ängsten!‘ (Est 4,17)

Am wichtigsten ist jedoch unser persönliches Gebet: von Herz zu Herz. Wenn das Herz nicht rein ist, muss man den Müll entfernen, von dem Jesus spricht. Wir kümmern uns sehr, auch übermäßig,  um die Reinlichkeit des Körpers: Bäder, Duschen, Seifen und Shampoos, Cremes und Lotionen. Aber sie reinigen nicht das Herz.

Aber es gibt etwas, das es reinigt: Das ist das Sakrament der Heilung, es wird das Sakrament der Versöhnung und des Friedens genannt. Das ist das Sakrament der Vergebung der Sünden und Stärkung für einen besseren Lebensweg. Dieses Sakrament ist auch die Eucharistie vom zweiten Tisch der Heiligen Messe: Die wahre Speise für die Seele und Stärkung des Herzens eines jeden von uns. Nutzen wir sie oft und haben wir keine Angst. „Ihr müsst stark sein!“, rief derhl. Johannes Paul II..

Ich möchte, dass Ihr diese Schätze während des Aufenthalts in Medjugorje entdeckt, ich grüße euch herzlichst: Erhebet eure Herzen! Amen.

Foto © Gebetsaktion, Abendmesse am 4. August 2020

Gerne können Sie diesen Beitrag in folgenden sozialen Netzwerken teilen:

Send this to a friend